China nach Covid-19: Pandemie verändert Logistikprozesse

Die Coronavirus-Pandemie hat bereits den Einsatz von Smart Logistics-Technologien in China beschleunigt. Viele Logistiker setzen auf KI, Big Data, Cloud Computing, Blockchain und integrierte Logistikplattformen. Die Notfall-Logistik für Krisensituationen wird effizienter gestaltet.

Redaktion: Dirk Ruppik.

Der Ausbruch von Covid-19 im November 2019 hat im Land der Mitte besonders in der Lockdown-Phase zu großen Beeinträchtigungen im Bereich der Produktion von Gütern, des Warenverkehrs und der Logistik geführt.

Auswirkungen der Pandemie im Frühjahr 2019.
Laut der Industrial Analytics Plattform der United Nations Industrial Development Organization (UNIDO) schrumpfte die Industrieproduktion durch die Corona-Maßnahmen in China im Januar und Februar 2020 um -13,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die chinesischen Exporte sanken im gleichen Zeitraum um -17,2 Prozent gegenüber 2019. Nicht einmal während des SARS-Ausbruchs in 2002/ 2003 und der Finanzkrise in 2008/ 2009 wurde ein so extremer Abfall verzeichnet.

Allerdings nahm die Industrieproduktion im April schon wieder um +3,9 Prozent zu und erreichte im Dezember 2020 +7,3 Prozent (Bild 1). Durch die Pandemie-Maßnahmen wurden Lieferketten zerrissen, weltweit Häfen, der Seeverkehr und der Personenflugverkehr nahezu lahmgelegt. Gemäß dem amerikanischen Journal of Commerce (JOC) wurde im März 2020 durch die Reisebeschränkungen fast die Hälfte des verfügbaren Luftfrachtvolumens auf den Trans-Pazifik-, China-Europa- und Europa-Nordamerika-Hauptstrecken eliminiert. Zudem stiegen die Luftfrachtpreise stark. Die Waren kamen zwar noch auf den Umschlagplätzen in Chinas Häfen an, wurden von dort aber aufgrund mangelnder Kapazitäten nicht mehr weiterbefördert. Aufgrund geschlossener Provinzgrenzen konnten teilweise Güter von den Fabriken nicht zu den Häfen befördert werden. In den Fabriken fehlten 220 Millionen Wanderarbeiter, die nach dem chinesischen Neujahr nicht in die Fabriken zurückkehren konnten.

Fünf Hauptauswirkungen auf die Logistik.
In der Logistik konnten fünf Hauptauswirkungen der Pandemie beobachtet werden: ein scharfer Abfall der Logistiknachfrage, Knappheit an Transportkapazität, die Unterbrechung des Logistiknetzwerkes, Veränderungen im Service, Zuwachs bei den Betriebskosten und der Zahl der verlusteinfahrenden Unternehmen. Laut der China Federation of Logistics and Purchasing (CFLP,1) schrumpfte das Frachtvolumen in der Logistik durch den Lockdown im Januar/ Februar 2020 um19,8 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode auf 4,5 Milliarden Tonnen. Das Frachtvolumen auf der Straße nahm um -24,8 Prozent ab, wobei es auf Wasserwegen um -14,8 Prozent fiel. Gleichzeitig schrumpfte das Luftfrachtvolumen um -13,8 Prozent, während das Schienenfrachtvolumen um +1,4 Prozent zunahm.

Die zur Verfügung stehende Transportkapazität kontrahierte aufgrund des Lockdowns, Straßensperrungen und fehlenden Arbeitern in der Logistikindustrie extrem. Aus den gleichen Gründen brach das Logistiknetzwerk zusammen. Bei einer Umfrage der CFLP gaben 74 Prozent der befragten 100 Logistikmanager an, dass durch die Verkehrsbeschränkungen in der Lockdown-Phase keine pünktlichen Transportservices durchgeführt werden konnten. Zudem kamen Unterschiede in den lokalen Beschränkungen der Transportservices. Aufgrund des geänderten Konsumverhaltens und der Verlagerung hin zu E-Commerce-Plattformen mussten sich die angebotenen Logistikdienste ebenso anpassen. Ein Beispiel ist die kontaktlose Lieferung durch Lieferroboter oder das Abstellen der Waren an bestimmten Übergabepunkten. Durch die Knappheit an Fahrern, gestiegenen Betriebskosten (Desinfektion, ermöglichen der kontaktlosen Lieferung) und der erhöhten Transportkosten durch die Planungsunsicherheit bei den Transportwegen, stiegen die Logistikkosten signifikant. Eine große Zahl der chinesischen Logistik- und Transportunternehmen erlitt im ersten Quartal 2020 Verluste. 51,7 Prozent der befragten Unternehmen fuhren ein Minus ein. Durch die Pandemie, Lockdowns und andere Corona-Maßnahmen wurden einige Logistikunternehmen stark in Mitleidenschaft gezogen und mussten fusionieren oder Operationen mit anderen Unternehmen zusammenlegen.

Entwicklung der chinesischen Logistikindustrie nach Covid-19.
Der Einsatz von Smart Technologies und die gleichzeitige Unterstützung durch die angepasste Regierungspolitik half die großen Schwierigkeiten im Logistikbetrieb in der Lockdown-Phase zu überwinden. In der Post-Covid-Ära wird sich die Logistikindustrie im Land der Mitte hauptsächlich aufgrund von drei Aspekten weiterentwickeln. Die treibenden Kräfte sind ein Nachfrageüberhang, der Technologieschub durch Smart Logistics-Anwendungen und eine aktive Förderungspolitik der chinesischen Regierung. Auch wenn die Pandemie große Zerstörungen in der chinesischen Logistikindustrie angerichtet hat, bietet sie ebenso große Chancen für Innovationen und Transformationen. Die Erholung der internationalen und nationalen Nachfrage wird graduell zur Genesung des Logistiksektors im Lande führen. Zunächst spielt dabei die innerchinesische Nachfrage die größte Rolle. Der chinesische Inlandsmarkt und die Kaufkraft der Konsumenten sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Da viele internationale Märkte von Grenzschließungen und Lockdowns betroffen sind, wird hier der Aufschwung noch auf sich warten lassen. Im Land der Mitte hat sich die sogenannte Smart Logistics zu einem treibenden Faktor bei der Transformation der Logistikindustrie entwickelt.

Smart Logistics ist ein Kernelement der Digitalisierung in der industriellen Wertschöpfung, wie sie durch das Konzept Industrie 4.0 beschrieben wird. Sie basiert auf agilen Kooperations-netzwerken sowie einer organisatorischen und informatorischen Vernetzung und ermöglicht intelligente und schlanke Lieferketten. Die intelligente Steuerung von Supply Chains ist eine wesentliche Voraussetzung für die Erschließung der Potenziale neuer digitaler Technologien (2). Drohnen, intelligente Paketstationen, Big Data, Cloud Computing, Blockchain und Künstliche Intelligenz (KI) sind bereits Schlüsseltechnologien, die in der Logistikindustrie in China eingesetzt werden.

Die Vorteile der intelligenten Logistik haben sich während der Covid-19-Pandemie bei der schnellen Anpassung von Versorgungsketten an das veränderte Konsumverhalten, knappe Kapazitäten, veränderte Transportmodi bzw. -wege und Preise gezeigt. Der Internethändler JD.Com setzt bereits 28 Smart Logistics Centres (Asia One, Bild 2), die zu 90 Prozent automatisiert betrieben werden, ein. Die automatisierten Logistikzentren sparen Arbeitskräfte und damit Löhne ein und sind dreimal effizienter als herkömmliche Lagerhäuser. Auch Alibaba bzw. Cainiao betreibt ein „unbemanntes“ roboterbetriebenes Lagerhaus mit der Bezeichnung „Wuxi warehouse“.

Das Smart Logistic Network von Cainiao Logistics basiert auf KI und dem Internet der Dinge (IdD). Es soll mithilfe von 100 Millionen intelligenten Endgeräten wie z. B. Fahrerlosen Transportsystemen (FTS) Inlandslieferungen innerhalb von 24 h und internationale Expresszulieferungen innerhalb von 72 h ermöglichen. Im Juni letzten Jahres erklärte Cainiao (3), dass die Anzahl der gecharterten Frachtflüge nahezu verfünffacht (Ziel: Halbierung der Transferzeit) und die internationale Lagerhausfläche auf zwei Millionen m² innerhalb von drei Jahren verdoppelt werden soll, um diese Ziele zu erreichen.
Der genannte Ausbau und die Zusammenarbeit mit Zollabfertigungs-Einrichtungen sowie das Bevoraten von Produkten kleinerer Händler in Lagerhäusern soll Internationale Lieferungen in 100 ausländische Städte innerhalb von 72 h ermöglichen. Zudem sollen 30000 Postabholzentren in verschiedenen chinesischen Städten entstehen, die u. a. auch das kontaktlose Versenden von Paketen und Briefen ermöglichen sollen. Seit 2013 hat sich der Wert des chinesischen Smart Logistics-Marktes von 145,2 Milliarden (18,7 Milliarden Euro) auf 63,3 Milliarden Euro in 2019 erhöht. Während der Pandemie investieren viele Unternehmen und auch Logistiker in BIG Data, KI, 5G und andere Technologien, um die Betriebseffizienz im Krisenfall zu stärken.

Auch wenn sich der Logistics Performace Index der Weltbank für China von Platz 28 in 2014 auf Platz 26 in 2018 verbessert hat, muss die Regierung die Effizienz des Logistiksystem verstärkt durch eine bessere Regierungspolitik und mehr gesetzliche Regelungen fördern. Aus dem Arbeitsbericht der Regierung von Mai 2020 geht hervor, dass verstärkt in die Implementierung eines neuen Infrastruktur-Bauprojekts investiert werden soll und dass die Logistikindustrie im Land der Mitte in ein neues Zeitalter der rasanten Entwicklung eintritt. Bis 2022 ist geplant, ein neues modernes integriertes Logistiksystem basierend auf Smart Logistics-Technologien wie KI, 5G und industriellen IdD aufzubauen. Zudem hat die National Development and Reform Commission (Nationale Kommission für Entwicklung und Reform) in 2020 begonnen weitere Nationale Logistikhubs zu bauen. Während dem Covid-19-Ausbruch spielten sie eine bedeutende Rolle bei der Verteilung von Notfallgütern.

Zudem stellte sich heraus, dass die Integration von Unternehmen auf Logistikplattformen zur Bündelung von Ressourcen wie Transportkapazität, Versorgungsgüter, etc. beim Kampf gegen die Pandemie extrem hilfreich ist. Die Integrierten Logistikplattformen bieten die Zusammenführung von Nachfrage und Angebot und andere wertschöpfende Services und werden von allen größeren Logistikern aufgebaut werden. Die Pandemie wird daher auch das Notfall-Logistiksystem Chinas verändern, das durch integrierte Unternehmensplattformen und eine klarere Hierarchie effizienter werden soll. (DR)

Quelle: LOGISTIK express Ausgabe 1/2021

 

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