«Grüner» Treibsand bremst Außenhandel
Die Streitigkeiten im Außenhandel nehmen zu. Bei den Verhandlungen über Freihandelsabkommen mit den ASEAN-Ländern bieten Palmöl und Recyclingmüll viel Zündstoff.
Beitrag: Arne Mielken.
Ob Umweltschutz getriebene, protektionistische Maßnahmen etwas Gutes oder Schlechtes sind, darüber lässt sich trefflich streiten. Jedes Wirtschaftsabkommen enthält gewisse Klauseln zum Schutz der eigenen Wirtschaft, insbesondere der Landwirtschaft. Doch insgesamt sollen Freihandelsabkommen (kurz FHA) Zölle und nicht-tarifäre Handelshemmnisse beseitigen und den Export von Waren und Dienstleistungen fördern.
Seit 2013 unterliegt der Import von Tropenholz in die EU strengen Beschränkungen. Die europäische Holzhandelsverordnung (EUTR) schreibt ausdrücklich eine Prüfung der Legalität von Holz aus Quellen außerhalb der EU vor. Die betroffenen südasiatischen Länder haben sich mit dieser Vorgabe inzwischen arrangiert. Jetzt aber treiben Pläne für die Ausmusterung von Palmöl als Biokraftstoff in der EU bis 2030 sowie Vorwürfe über illegale Abholzungen von Tropenwäldern für den Anbau von Palmöl die beiden Hauptproduzenten, Indonesien und Malaysia, sprichwörtlich auf die Palme. Das Einkommen von mehr als 13 Millionen Menschen hängen vom Palmöl ab. Die südasiatischen Länder wittern Protektionismus zugunsten von Soja- und Rapsöl und wehren sich. Sie drohen mit einem Abbruch der Partnerschafts-Verhandlungen und Zöllen auf EU-Importwaren.
Lösungsansätze.
Die Schweiz hat sich große Mühe gegeben, den Stolperstein Palmöl bei ihren Verhandlungen über ein FHA aus dem Weg zu räumen. Sie unterzeichnete im Dezember 2018 einen Vertrag mit Indonesien mit speziellen Vorschriften für eine einzelne Produktegruppe: die Pflanzenöle. Zum einen sieht der Vertrag Kontingente für den Import von Palmöl vor, zum anderen ist der Import nicht zollfrei. Damit ist die Regierung den Schweizer Bauern entgegengekommen, die ihre eigenen Pflanzenöle schützen wollen. Über Jahre verhandelte die EU erfolglos mit dem ASEAN-Staatenbund (Vietnam, Singapur, Sri Lanka, Kambodscha, Thailand, Malaysia, Indonesien, Brunei, Laos, Myanmar, Philippinen) über ein Präferenzabkommen. 2009 wurden die Gespräche ausgesetzt. Bilaterale Konsultationen schienen vielversprechender. Mit Indonesien wird seit 2016 neu verhandelt. Im Dezember dieses Jahres steht die 9. Verhandlungsrunde an. Doch ein Vertragsabschluss liegt noch in weiter Ferne, nicht zuletzt wegen des Palmöls.
Müll-Importstopp.
Nachdem China 2018 den Import von Plastikabfall u.a. aus Europa gestoppt hatte, haben auch einige asiatische Länder wie Indonesien, Malaysia und die Philippinen nachgezogen. Zumal vermehrt Material, das bis anhin nach China ging, bei ihnen landete. 2018 stiegen beispielsweise in Indonesien, laut Angaben des Handelsministeriums, die Importe von Kunststoffabfällen im Vergleich zum Vorjahr von 128 800 auf 320 400 Tonnen.
Alle asiatischen Länder verlangen nun, dass die Absender der Recyclingmüll wieder zurücknehmen. Abhilfe verspricht außerdem eine Ergänzung des sogenannten Basler Übereinkommens, das den Handel mit gefährlichen Abfällen regelt. Mitte Mai d.J. einigten sich mehr als 180 Staaten darauf, dass Exporteure ab 2021 die Zustimmung von Empfängerländern einholen müssen, bevor sie kontaminierten, gemischten oder nicht rezyklier-baren Plastikabfall verschiffen. Das Abkommen dürfte den globalen Abfallhandel weiter einschränken.
Licht und Schatten.
Bei den FHA-Verhandlungen gibt durchaus auch Erfolgsmeldungen. Das zwischen Singapur und der EU unterzeichnete Freihandelsabkommen wurde im Februar d.J. im Europäischen Parlament positiv behandelt und muss nun nur noch von der singapurischen Seite ratifiziert werden. Dieser Prozess sollte bis Jahresende abgeschlossen sein. Die Verhandlungen mit Vietnam konnten ebenfalls erfolgreich beendet werden. Am 30. Juni 2019 wurde sowohl ein Freihandels- als auch ein Investitionsschutzabkommen in Hanoi unterzeichnet. Jetzt fehlt nur noch die Ratifizierung durch die Parlamente.
Mit den Philippinen sind seit 2016 Konsultationen im Gang. Nach der zweiten Verhandlungsrunde im Februar 2017 wurden erste Verhandlungstexte online gestellt. Es bleibt abzuwarten, ob und wann es zu einer Vertragsunterzeichnung kommt. 2013 hatte die Europäische Kommission offiziell Verhandlungen mit Thailand aufgenommen, die jedoch ein Jahr später stoppten. Seit Dezember 2017 strebt die EU eine Wiederaufnahme der Verhandlungen an, bisher ohne Erfolg. Die Verhandlungen mit Malaysia (seit 2010) liegen ebenfalls seit 2012 auf Eis. Die Friktionen haben sich durch den Streit um Palmöl und Plastikmüll noch verschärft.
Digitalisierungsopportunitäten.
Zollfreiheit bietet Chancen für den Außenhandel. Doch es gibt sie nicht gratis. Jedes Freihandelsabkommen (kurz FHA) ist das Ergebnis komplizierter Verhandlungen. Es gewährt Zollreduktionen, zum Teil zeitlich gestaffelt, doch dafür müssen Unternehmen ganz bestimmte Ursprungsregeln beachten. Und jedes FHA unterscheidet sich von anderen in gewissen Details. Die Anforderungen an die Unternehmen sind hoch, wenn sie von FHA profitieren wollen. Sie müssen daher genau Aufwand und Gewinn abwägen. Dies trifft auch auf die FHA mit Vietnam und Singapur zu.
Die digitale Transformation bietet Unternehmen jedoch die Chance, ihre Wertschöpfungsprozesse transparenter zu gestalten, die Ausfuhrabwicklung zu beschleunigen und Vorteile von FHA kosteneffizient auszuloten. Die Automatisierung von Prozessen von der Warenklassifizierung und Tarifierung, übers Compliance-, Lager- und Transportmanagement bis zur Import-/Exportverzollung reduziert die Komplexität, verhindert Fehler, senkt Kosten und erhöht die Wertschöpfung. Innovative Cloud-basierte Global-Trade-Management (GTM)-Anwendungen ermöglichen eine schnelle Einbindung von Lieferanten und Kunden in Supply-Chain-Ökosysteme. E2opens intelligente GTM-Applikationen greifen auf eine Datenbank mit Handels- und Zollinformationen aus 170 Ländern zu. Mit ihrer Hilfe können Unternehmen zeitnah auf Veränderungen im Außenhandel reagieren, sollten beispielsweise Indonesien und Malaysia Zölle auf bestimmte EU-Waren erhöhen. (AM)
Quelle: LOGISTIK express Ausgabe 4/2019