Was tun, wenn nichts mehr geht? Blackout-Vorsorge-Ratgeber für den Handel
Experten erwarten binnen 5 Jahren ein Blackout. Der volkswirtschaftliche Schaden läge bei mindestens 1,2 Milliarden Euro pro Tag. Vorbereitung zählt. Der neue HV-Leitfaden soll Händler bei der Vorbereitung auf mögliche Energiekrisen unterstützen.
Beitrag: Gerald Kühberger.
Im vergangenen Jahr erinnerten uns zwei Großstörungen im europäischen Stromversorgungssystem daran, dass es trotz aller Sorgfalt keine hundertprozentige Sicherheit gibt. Seither beschäftigen sich Politik, Medien und Wirtschaft intensiver mit den Folgen eines plötzlichen, überregionalen, länger andauernden Strom-, Infrastruktur- und Versorgungsausfalls – einem sogenannten Blackout. Zurecht, denn die Folgen eines Blackouts wären für die Gesellschaft, Wirtschaft und den Handel katastrophal. Um die Branche bestmöglich auf den Ernstfall vorzubereiten, hat der Handelsverband gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge (GfKV) einen umfassenden Blackout-Ratgeber für den Handel herausgegeben.
Wahrscheinlichkeit für ein Blackout laut Bundesheer bei fast 100 Prozent.
Eine stabile Stromversorgung ist nicht selbstverständlich. „Österreich zeichnet sich zwar durch eine überdurchschnittlich hohe Versorgungssicherheit aus, aber verschiedenste Einflüsse wie der Ukraine-Krieg, die Gas- und Energiekrise sowie das Wachstum im Cybercrime-Bereich lassen auch die Blackout-Gefahr rasant ansteigen. Würde der Strom hierzulande für 24 Stunden ausfallen, läge der volkswirtschaftliche Schaden laut Berechnungen der JKU Linz bei mindestens 1,2 Milliarden Euro“, bestätigt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.
Laut Bundesheer liegt die Wahrscheinlichkeit, dass es in den nächsten fünf Jahren zu einem größeren, überregionalen Stromausfall in Österreich kommen wird, bei fast 100 Prozent. „Es braucht Präventionsmaßnahmen und länderübergreifende Strategien, um die Versorgungssicherheit auch in Zukunft gewährleisten zu können. Daher steht der Handelsverband im engen, laufenden Austausch mit dem Innenministerium, dem Verteidigungsministerium und dem Bundeskriminalamt“, so Will.
„Es ist essenziell, dass wir uns als Gesellschaft gezielt auf ein solches Szenario vorbereiten. Mit dem Blackout-Vorsorge-Ratgeber möchten wir die heimischen Händler mit Hintergrundinformation, Präventionsmaßnahmen, praxisnahen Tipps und Checklisten unterstützen. Denn eines ist klar: Je besser der österreichische Handel auf ein Blackout vorbereitet ist, desto besser werden wir die kaum fassbaren Folgen einer möglichen schweren Versorgungskrise bewältigen können“, ergänzt Handelsverband-Präsident Stephan Mayer-Heinisch.
Wenn der Staat nicht mehr kann, schlägt die Stunde der Zivilgesellschaft.
Ein Blackout würde nicht nur zu einem großflächigen Stromausfall führen, sondern fast alle Infrastruktur- und Versorgungsleistungen betreffen, es würde schlagartig nichts mehr funktionieren. Daher ist ein solches Ereignis auch nicht mit Stromausfällen, wie wir sie auch in Österreich nach heftigen Unwettern kennen, vergleichbar. Während nach lokalen oder regionalen Stromausfällen ziemlich rasch wieder alles wie gewohnt funktioniert, würde die Wiederherstellung der gewohnten Versorgung nach einem überregionalen Ereignis oder auch in Folge einer Gas- und Strommangellage wesentlich länger dauern, was häufig unterschätzt wird.
Mehr als vielen Menschen bewusst ist, hängt unser Alltag völlig von einer intakten Stromversorgung ab – im städtischen Bereich sogar noch stärker als am Land. „Daher sollte sich jede und jeder Einzelne von uns mit entsprechenden Vorsorgemaßnahmen befassen. Denn bei einem solchen überregionalen Ereignis geraten auch die gewohnten und sehr verlässlichen Strukturen der organisierten Hilfe rasch an ihre Grenzen. Niemand kann bei einer gleichzeitigen eigenen Betroffenheit Millionen Menschen helfen. Wir können eine solche Krise nur gemeinsam und durch Vorbereitung bewältigen“, ist Herbert Saurugg, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge und Blackout-Vorsorge-Experte des Handelsverbandes, überzeugt. Gemeinsam soll in den nächsten Monaten auch die Dachmarke „Mach mit! Österreich wird krisenfit!“ (www.krisenfit.jetzt) mit konkreten Angeboten für die Vorsorge in den Handel gebracht werden.
Pandemie als Weckruf.
Mit einer Versorgungssicherheit von 99,99% zählt die österreichische Stromversorgung zu den verlässlichsten der Welt. Daher ist für viele Menschen nur schwer nachvollziehbar, warum das eines Tages anders sein sollte. Doch es gibt keine hundertprozentige Sicherheit. Nirgends. Daher sollten wir als Gesellschaft in der Lage sein, sowohl mit absehbaren als auch mit unerwarteten Krisen umzugehen. So ist die Politik gerade jetzt in der Gas-Krise gefordert, die Risiken in unserer Energieversorgung zu minieren.
Bei einem Blackout spielt der Lebensmittelhandel als Kritische Infrastruktur und Nahversorger eine zentrale Rolle. Daher ist die Vorbereitung auf ein Blackout Teil der Krisen- und Notfallpläne der Händler. „Die Corona-Pandemie hat die Dringlichkeit nochmal verstärkt. Die Vorbereitung auf ein Blackout geht Hand in Hand mit dem Ausbau autarker grüner Stromquellen aus Photovoltaik und Windenergie. Eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Bundeseinrichtungen und den Länderorganisationen muss das Ziel sein, um eine geordnete Verteilung der Lebensmittel im Krisenfall sicherzustellen“, sagt Robert Spevak, Leiter des Handelsverband-Ressorts „Sicherheit im Handel“ und Abteilungsleiter Revison und Sicherheit bei Metro Österreich. „Ein hoher Stellenwert kommt hier auch der Schulung der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu, damit diese privat wie beruflich bestmöglich auf den Ernstfall vorbereitet sind. Wenn wir die Grundversorgung schaffen, dann schaffen wir alles andere auch“, so Spevak.
Ebenfalls im Fokus: EU-Plan mit Maßnahmen zur Energiereduktion.
Aufgrund des Ukraine-Kriegs sowie einer möglichen Gaslieferunterbrechung entstehen für die kommenden Monate große Unsicherheiten. Der Rat der Europäischen Union hat in diesem Kontext am 26. Juli eine politische Einigung über eine freiwillige Senkung des Erdgasverbrauchs um 15% für den kommenden Winter abgeschlossen. Der Zweck besteht darin, vor dem Winter entsprechende Einsparungen zu erzielen, um einen Puffer für mögliche Unterbrechungen der Gaslieferungen aus Russland zu schaffen. Details zu den vorgeschlagenen Maßnahmen werden im HV Blackout-Vorsorge-Ratgeber ebenso beschrieben wie der 3-Säulen-Plan der EU-Kommission zur Senkung der Gasnachfrage. Dazu zählen erstens der Umstieg weg vom Gas auf alternative Energieformen, um die Einschnitte für Industrie & Handel möglichst gering zu halten, zweitens Anreize für die Verringerung des Verbrauchs durch Marktinstrumente und drittens Einsparungen bei Heizung und Klimatisierung. (RED)